Häufig gestellte Fragen
SoliMed steht für Solidarische Medizin. Wir sind eine Gruppe, die ein Stadtteilgesundheitszentrum (kurz: SGZ) in Köln aufbauen möchte. Unser Ziel ist, dass alle Menschen in Lebensumständen leben, die ihnen die Möglichkeit geben, gesund zu sein. Dies ist zurzeit weder global gesehen, noch hier in Deutschland gegeben. Als ersten Schritt auf dem Weg zu einer „Gesundheit für Alle“, möchten wir ein Stadtteilgesundheitszentrum aufbauen.
In unserer heutigen Gesellschaft wird uns vermittelt, dass jede Person selbst für ihre Gesundheit verantwortlich ist. Dabei wird vergessen, dass es nicht nur darauf ankommt, ob wir Sport treiben, rauchen oder was wir für Gene haben. Vor allem unsere Lebensverhältnisse bestimmen unsere Gesundheit: Wie sind deine Arbeitsbedingungen? Wo wohnst du? Erlebst du Rassismus oder andere Arten der Diskriminierung? Wer in Armut lebt, stirbt früher und wird häufiger krank.
Wir wollen, dass in unserem Stadtteilgesundheitszentrum Gesundheit auf körperlicher, psychischer und gesellschaftlicher Ebene betrachtet wird. Das bedeutet zum Beispiel, dass die Lebens- und Arbeitsbedingungen mit einbezogen werden. Viele Faktoren beeinflussen Gesundheit: Gibt es Schimmelprobleme in der Wohnung? Fehlen Spielplätze oder Grünflächen im Stadtteil? Gibt es Probleme mit Ämtern oder den Vorgesetzten? Ist die Luftverschmutzung im Stadtteil hoch? Habe ich eine Krankenversicherung?
Gemeinsam mit den Anwohner*innen wollen wir die Probleme im Stadtteil identifizieren und dadurch die Lebensverhältnisse verbessern.
Deswegen werden in unserem Stadtteilgesundheitszentrum neben medizinischen Fachkräften – wie Ärzt*innen, Pflegekräften und Psychotherapeut*innen – auch Menschen aus anderen Berufsgruppen arbeiten. Das sind zum Beispiel Sozialarbeiter*innen, Gewerkschafter*innen und Jurist*innen.
Wir stellen uns dem profitorientierten Gesundheitssystem entgegen. Wir treten für eine gemeinnützige Gesundheitsversorgung ein. Der Mensch und seine Bedürfnisse stehen im Vordergrund.
Darüber hinaus soll das Stadtteilgesundheitszentrum ein Ort der Vernetzung sein und ein Treffpunkt für Menschen, Gruppen und Initiativen im Stadtteil. Alleine sind wir oft machtlos. Wenn wir uns zusammentun, können wir viel verändern.
Unsere Gruppe besteht aus Menschen, die privat und teilweise beruflich mit unserem Gesundheitssystem zu tun haben. Es sind Personen aus verschiedenen Berufsgruppen vertreten: Sozialarbeiter*innen, Psycholog*innen, Pfleger*innen, Gesundheitswissenschaftler*innen, Heilpraktiker*innen, Aktivist*innen, Ärzt*innen.
In unserer Gruppe sind verschiedene berufliche, persönliche und gesellschaftliche Perspektiven vertreten. Andere wiederum fehlen uns und sind in der Gruppe noch unterrepräsentiert. Wir glauben, dass es wichtig ist, mit verschiedenen Erfahrungen und Blickwinkeln im Stadtteilgesundheitszentrum vertreten zu sein. Als Gruppe freuen wir uns über neue Perspektiven.
Unter Gesundheit verstehen wir mehr als nur die Abwesenheit von Krankheit. Gesundheit ist ein Zustand des körperlichen, psychischen und sozialen Wohlfühlens. Ob Menschen gesund sind, hängt nicht nur – wie so oft in der medizinischen Versorgung und Vorsorge angenommen – von ihrem eigenen Verhalten, genetischen Faktoren und direkten Umwelteinflüssen ab. Gesundheit wird ganz wesentlich von sogenannten „sozialen Determinanten“ beeinflusst.
Nein, nicht nur. Ärzt*innen betrachten in der Versorgung vor allem individuelle Gesundheitsaspekte. Dazu gehört zum Beispiel, wie das persönliche Verhalten oder die Gene eine Krankheit beeinflussen. Hoher Zuckerkonsum kann zu Diabetes führen, Rauchen zu Lungenkrebs, wenig Bewegung zu Übergewicht.
Die gesellschaftliche Perspektive fehlt dabei. Die Lebensumstände beeinflussen unsere Gesundheit im hohen Maße. Luftverschmutzung führt genauso zu Lungenkrebs. Chronischer Stress erhöht ebenfalls den Blutzuckerspiegel.
Ein Arzt oder eine Ärztin kann im besten Fall diese Faktoren abfragen, aber nicht darauf reagieren. Dafür braucht es andere Berufsgruppen und vor allem die Betroffenen selber. Die Lebensumstände müssen so gestaltet werden, dass Gesundheit möglich ist.
Das Stadtteilgesundheitszentrum ist offen für alle Menschen, die die Angebote nutzen und selbst gestalten wollen. Das Stadtteilgesundheitszentrum lebt von den Menschen, die es gestalten.
Die Gesundheitsversorgung im Stadtteilgesundheitszentrum ist unabhängig vom Versicherungs- und Aufenthaltsstatus.
„Soziale Determinanten von Gesundheit“ sind Einflussfaktoren aus Gesellschaft und Umwelt, die auf die Gesundheit wirken. Hierbei handelt es sich um Einflüsse abseits vom Verhalten einzelner Personen. Zu den sozialen Determinanten zählen u.a. Umweltbedingungen, Erfahrungen von Diskriminierung, Arbeitsbedingungen, Geschlecht, Mobilität, Staatsbürgerschaft und die Wohnverhältnisse.
Diese Faktoren tragen dazu bei, dass Krankheiten entstehen, und hindern Menschen daran, gesund zu bleiben oder gesund zu werden. Die Verbesserung der sozialen Determinanten von Gesundheit trägt langfristig zu einem gesünderen, menschenwürdigen und lebenswerteren Umfeld bei.
Im Folgenden werden einige „soziale Determinanten von Gesundheit“ und ihre Wirkungsweisen näher erklärt:
– Rassismus
Menschen, die von Rassismus betroffen sind, erleben in ihrem Alltag immer wieder in Situationen, in denen sie Diskriminierung erfahren – z.B. auf Grund ihres Aussehens, der ihnen zugeschriebenen Herkunft oder ihrer Sprache. Diese alltäglichen Erfahrungen können Stress verursachen, der sich negativ auf die Gesundheit auswirkt.
Auch in unserem Gesundheitssystem werden Schwarze Menschen, People of Color und Menschen, denen eine „nicht deutsche“ Herkunft zugeschrieben wird, diskriminiert. Z.B. lernen Ärzt*innen nicht, Hautkrankheiten bei Schwarzen Menschen zu erkennen und können diese daher oft nicht richtig behandeln. Weißen Psychotherapeut*innen fehlt häufig der Blick für die Problemlagen, mit denen Schwarze und People of Color im Alltag konfrontiert sind. Auch werden medizinische
Messwerte wie z.B. der Kreatinin-Wert oder das Lungenvolumen bei Schwarzen nach wie vor höher angesetzt als bei Weißen.
– Arbeit/Erwerbslosigkeit
Sind die Arbeitsbedingungen schlecht, hat dies auf unterschiedlichen Wegen einen negativen Einfluss auf die Gesundheit. Der Einfluss kann sehr direkt sein: durch Arbeitsunfälle, durch eine zu starke Belastung des Körpers, durch Schadstoffe bei der Arbeit, durch zu wenig Bewegung etc. Die Probleme können aber auch weniger sichtbar durch dauerhaft hohen Stress verursacht werden. Dieser kann hervorgerufen werden durch z.B. starke Hierarchien am Arbeitsplatz, Mobbing, monotone Tätigkeiten, schlechte Bezahlung, Angst vor Kündigung, zu lange Arbeitszeiten oder zu viele Jobs parallel, Zusatzbelastung durch unentlohnte Care- und Sorgearbeit im Privaten.
Bei erwerbslosen Menschen, die beispielsweise Hartz IV oder Sozialhilfe beziehen, kommen oft mehrere Faktoren zusammen. Sie sind von den Regeln und Vorschriften der Ämter abhängig. Sie müssen mit Sanktionen rechnen, wenn sie sie nicht befolgen. Sie sind in ihrer Entscheidungsfreiheit eingeschränkt. Sie müssen mit sehr wenig Geld ihr (Über)Leben und das ihrer Familien gestalten. Dadurch sind sie kontinuierlichem Stress ausgesetzt. Dieser wirkt sich negativ auf die Gesundheit aus.
– Umwelt
Die Umwelt, in der wir leben, hat einen Einfluss auf unsere Gesundheit, denn wer z.B. an einer viel befahrenen Straße lebt, ist einer höheren Luftverschmutzung ausgesetzt. Diese kann langfristig zu Atemwegserkrankungen (Asthma, COPD) führen und damit auch zu einem früheren Tod. Zudem verursacht eine viel befahrene Straße Lärm, der belastend wirken kann.
Natur hat hingegen einen positiven Einfluss auf die Gesundheit. Waldspaziergänge unterstützen das Immunsystem, Wiesen dienen als sozialer Treffpunkt, Pflanzen filtern Schadstoffe aus der Luft. Die Möglichkeit, Grünanlagen zu nutzen, ist in Köln allerdings nicht in allen Stadtteilen gleich. So liegen in Lindenthal der Stadtwald und der Grüngürtel für viele Menschen direkt vor der Haustür, während es in Kalk kaum Grünflächen gibt.
Hitze wird auch in Deutschland für viele Menschen ein zunehmend wahrnehmbarer Einflussfaktor auf die Gesundheit. Hitze führt zu verschiedenen körperlichen Beschwerden (Kopfschmerzen, Durchfall, Müdigkeit, …) bis hin zum Tod. Durch die Klimakrise gibt es immer mehr Hitzetage im Jahr. Dichte Bebauung und geringe Begrünung sind Faktoren, die dafür sorgen, dass sich Städte in diesen Zeiten immer weiter aufheizen. Dies ist je nach Stadtteil unterschiedlich. Je dichter bebaut, je weniger Luftkorridore, je weniger grün, desto heißer wird es. Dies in z.B. in Kalk deutlich mehr gegeben als in Rodenkirchen.
– Wohnsituation
Wie wir wohnen, hat einen Einfluss auf unsere Gesundheit. Eine kleine Wohnfläche mit wenig Rückzugsorten, ein unsicheres Mietverhältnis und die Angst vor dem Verlust der Wohnung können zu Stress führen. Ein Mensch in Lindenthal hat durchschnittlich 10qm2 mehr Wohnraum als ein Mensch in Kalk.
Auch Schimmelbefall hat einen Einfluss auf den Gesundheitszustand. Er begünstigt die Entstehung von Atemwegserkrankungen udn schwächt dauerhaft das Immunsystem.
– Gender
Der Mensch ist in der Medizin seit langem der Mann. Auf der einen Seite als Arzt, der deutet, heilt und über andere entscheidet. Auf der anderen Seite als Patient, an dem geforscht, gelernt und getestet wird. Das hat mitunter tödliche Folgen für Frauen, Transgender, Intersexuelle und nicht- binäre Menschen. Bis in die 1990er Jahre wurden Frauen systematisch aus pharmazeutischen Studien ausgeschlossen. Erst seit 2004 wird Arzneimittelforschern und Pharmaunternehmen empfohlen, Medikamente, auch an Frauen zu testen. Dies ist relevant, da Frauen Substanzen anders
verstoffwechseln und sie durch die für Männer entwickelten Medikamente und Dosierungen verstärkt Nebenwirkungen bzw. keine Wirkung haben. Nanette Wenger prägte Anfang der 90er Jahre den Begriff der „Bikini-Medizin“. Er soll verdeutlichen, dass in der Medizin nur die Geschlechtsorgane als vom Mann unterschiedlich wahrgenommen werden. Alle anderen Unterschiede, die es in Zelle und Stoffwechsel gibt, werden ignoriert. Dies spiegelt sich auch nach wir vor in der Bildungslandschaft in Deutschland wider. Bisher wird nur an der Berliner Charité geschlechtersensible Medizin unterrichtet.
Zu den biologischen Unterschieden kommen noch die sozialen: Frauen beschreiben ihre Symptome oft genauer und umfangreicher. Dies führt allerdings nicht zu einer schnelleren und exakteren Diagnose, sondern dazu, dass sie von (insbesondere männlichen) Ärzt*innen nicht ernst genommen werden. Bei Herzinfarkten endet das mitunter tödlich: Frauen sterben öfter an ihnen als Männer, weil sie nicht erkannt werden. Die „klassischen Herzinfarkt-Symptome“ sind eben die typischen Symptome bei Männern und der Infarkt zeigt sich bei Frauen meist anders. Dass Frauen durchschnittlich 16 Minuten länger in der Notaufnahme auf Schmerzmittel warten als Männer, ist ein weiteres Beispiel dafür, wie die Wahrnehmungen von Frauen nicht anerkannt werden
Flint*s sind außerdem zusätzlich von struktureller Diskriminierung (Sexismus) und Gewalt betroffen, was in ihrem Alltag zu mehr Stress führen kann. Flint* ist die Abkürzung für Frauen, Lesben, intersexuelle Personen, nicht-binäre Personen und Trans Personen
– Mobilität:
Wenn der Ort, an dem Menschen leben, schlecht an die öffentlichen Verkehrsmittel angebunden ist, bedeutet das oft, dass der Weg zur Arbeit sehr lang ist. Die dadurch verlorene Zeit kann nicht für anderes, beispielsweise Freund*innen treffen, kochen oder ausruhen, genutzt werden. Auch die Freizeitgestaltung ist dann ohne eigenes Auto oder Fahrrad eingeschränkt.
Inhalt folgt
Ja, in Deutschland haben wir im Vergleich zu anderen Ländern ein gutes Gesundheitssystem. Es gibt viele Aspekte, die wir gut finden und wertschätzen.
Allerdings gibt es auch eine Menge Dinge, die uns am aktuellen Gesundheitssystem stören:
Soziale Determinanten von Gesundheit werden häufig nicht mitgedacht und nicht berücksichtigt.
Das aktuelle Gesundheitssystem ist durch wirtschaftliche Interessen stark beeinflusst. So werden
Krankenhäuser Teil von gewinnorientierten Konzernen, Patient*innen zu Fallpauschalen und Angestellte werden ausgebeutet. In der ambulanten Gesundheitsversorgung führt die Ökonomisierung zu Unter-, Über- und Fehlversorgung in bestimmten Stadtteilen und Regionen.
Menschen ohne Krankenversicherung fallen aus dem System und ihnen wird der Zugang zu medizinischer Versorgung erschwert.
Multiprofessionelles Zusammenarbeiten wird im aktuellen Gesundheitssystem verhindert.
Patient*innen können aufgrund von Zeitmangel und Unkenntnis medizinischer Fachsprache wenig mitentscheiden, welche Möglichkeiten der Therapie und Versorgung ihnen zur Verfügung
steht.
Pflegekräfte werden schlecht bezahlt. Ihre Arbeit wird nicht wertgeschätzt und durch die
hierarchische Arbeitsteilung erschwert.
Wir freuen uns über Deine Hilfe. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, uns zu unterstützen:
Du kannst Teil der Gruppe werden und direkt beim Aufbau des Stadtteilgesundheitszentrums
helfen.
Du kannst uns eine Rückmeldung zu unserer Arbeit geben und damit unsere Perspektiven
erweitern.
Du kannst mit deinem Umfeld über die Zusammenhänge von Lebensbedingungen und
Gesundheit sprechen. Je mehr Menschen sich bewusst darüber sind, desto mehr Menschen
werden anfangen, die Lebensverhältnisse so zu gestalten, dass sie gesund sein können.
Du kannst uns finanziell unterstützen, indem du uns Geld spendest oder Fördermitglied in
unserem Verein wirst.
Du kannst eigene Angebote im Stadtteilgesundheitszentrum anbieten (wenn es feste Räume gibt).
Ja, bitte. Wir freuen uns sehr über finanzielle Zuwendungen jeder Art. Du kannst uns Geld spenden oder Fördermitglied in unserem Verein werden. Letzteres ist für unsere Planungssicherheit besser. Wir freuen uns aber über beides.
Schreib uns eine Email an info@solimed-koeln.de oder nimm über Facebook Kontakt mit uns auf. Außerdem findest du uns auf Instagram: @solimed_koeln und auf Twitter: @solimedkoeln
Zurzeit gibt es das Stadtteilgesundheitszentrum noch nicht. Auf dem Weg zur Eröffnung haben wir schon viele Schritte geschafft und einige liegen noch vor uns. Mehr über den aktuellen Stand erfahrt Ihr hier auf unserer Webseite oder über unsere Social Media-Kanäle.
In den Jahren 2019 und 2020 haben wir verschiedene Daten bzgl. Gesundheit und Krankheit in Köln zusammengestellt und näher betrachtet. Hierbei haben wir auch verschiedene „soziale Determinanten von Gesundheit“ mit einbezogen.
Dabei fällt ein starkes Ungleichgewicht zwischen verschiedenen Stadtbezirken in Köln auf. Zudem sind mehrere Stadtbezirke in unterschiedlicher Hinsicht benachteiligt. Bei den Stadtbezirken herrschen zum Teil große Unterschiede in ihren ökonomischen Verhältnissen vor. Der Zugang zu sauberer Luft, Bildung, Grünflächen, Infrastruktur und Kultureinrichtungen ist sehr unterschiedlich. Ebenso ist die Erreichbarkeit von Strukturen der medizinisch-psychosozialen Versorgung ungleich verteilt. Diese unterschiedlichen Formen von Benachteiligungen betreffen überproportional häufig die gleichen Stadtviertel (z.B. Chorweiler, Mülheim, Kalk, Porz) und damit immer die gleichen Menschen und haben steigende Auswirkungen auf deren Gesundheitszustand: So treten chronische Erkrankungen je nach Stadtviertel in unterschiedlicher Häufung auf. Auch die individuelle Lebenserwartung variiert deutlich zwischen den Stadtvierteln. So leben Menschen beispielsweise in Mülheim im Schnitt sechs Jahre weniger als in Lindenthal.